Опубликован репортаж с семинара «Публикационная культура в третий переходный период: стратегии интернационализации»
Источник: Publikationskulturen im Wandel III: Strategien der Internationalisierung.
"Am 19. und 20. Mai 2016 veranstalteten die Redaktionen der „Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung“ (Marburg) und der „Jahrbücher für Geschichte Osteuropas“ (Regensburg) ihren mittlerweile dritten Workshop zu „Publikationskulturen im Wandel“. Diese Veranstaltungsreihe richtet sich insbesondere an Redaktionen historisch orientierter Fachzeitschriften mit Ost(mittel)europa-Bezug. Während sich der erste Workshop 2012 in Marburg aus einer eher defensiven Position heraus mit den Konsequenzen bibliometrischer Rankings befasst hatte[1], waren auf dem zweiten Workshop 2014 in Regensburg die redaktionelle und bibliothekarische Praxis näher in den Blick genommen worden: Wie stellen sich die Zeitschriftenredaktionen selbst diesen Herausforderungen durch externe, kommerzielle Dienstleister?[2] Auf dem dritten Workshop rückten nun Fragen nach Bibliometrie und Rankings in den Hintergrund, um in einer breiteren Perspektive die internationalen Dimensionen redaktioneller Arbeit in historischen Fachzeitschriften zu beleuchten. Neben zahlreichen Redaktionen waren auch mehrere Wissenschaftsverlage vertreten, sodass sowohl im Anschluss an die einzelnen Vorträge als auch in einem eigens dafür vorgesehenen Gesprächsabschnitt auf breiter Grundlage ein fruchtbarer Gedankenaustausch über die internationale Dimension redaktioneller Praxis geführt werden konnte.Nachdem Christoph Schutte (Marburg) in seiner Begrüßung in die Thematik eingeführt und die beiden zurückliegenden Workshops resümiert hatte, stellte MACIEJ GÓRNY (Warschau) als erstes Fallbeispiel die vom Historischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen „Acta Poloniae Historica“ (APH) vor. Die geistigen Wurzeln dieser 1958 gegründeten Zeitschrift reichen bis in die 1920er-Jahre zurück, als in Polen und dem übrigen Ostmitteleuropa eine wirkungsmächtige Wirtschafts- und Sozialgeschichte entstand. Der Versuch, diese Tradition mit der Realität sowie den Konzepten des Marxismus in Einklang zu bringen, prägte die Zeitschrift in den folgenden Jahrzehnten ebenso wie der Anspruch, mittels der Publikation auch englischsprachiger Beiträge polnische Forschungsstandpunkte im westlichen Ausland besser bekannt zu machen. Angesichts der Themenvielfalt in heutiger Zeit, so Górny, sei dieser Anspruch weder zeitgemäß noch von einer einzelnen Zeitschrift zu leisten. Vielmehr bemühten sich die APH um einen möglichst detaillierten Rezensionsteil und verstehe sich als eine internationale Zeitschrift mit einem regionalen Schwerpunkt.
Mit der Präsenz russischer Historiker/innen im internationalen Fachdiskurs beschäftigte sich die Präsentation von IRINA SAVEL’EVA (Moskau), die auf Ihren gemeinsam mit Sergej Matveev durchgeführten Untersuchungen in bibliometrischen Zeitschriftendatenbanken des Web of Science (WoS) beruhte. In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl aus Russland stammender Aufsätze in außerhalb Russlands erscheinenden Fachzeitschriften stark angestiegen. Gerade finanzielle Anreize seitens der Forschungseinrichtungen und Universitäten haben hierbei eine wichtige Rolle gespielt und wurden durch den Grad der institutionellen Konzentration begünstigt: In Deutschland und den USA generierten die fünf am häufigsten bei WoS vertretenen Institutionen ein Viertel aller Aufsätze, in Russland hingegen die Hälfte; in Frankreich und Polen sogar noch mehr. Entgegen der allseits propagierten Dominanz der englischen Sprache ist die große Mehrzahl dieser Beiträge (85 Prozent) allerdings auf Russisch erschienen. Wie erfolgreich die Internationalisierung der russischen Geschichtswissenschaft tatsächlich verlaufen ist, lasse sich aber, so Savel’eva, nur feststellen, wenn auch Buchpublikationen und Tagungsaktivitäten miteinbezogen würden. Dies spiele aber in Rankingverfahren bislang nur eine untergeordnete Rolle. Weniger intensiv erforschte Epochen wie das Mittelalter, das wurde in der anschließenden Debatte betont, würden durch die Fokussierung auf WoS und ähnliche Anbieter immer stärker marginalisiert.
Eine traditionsreiche tschechische Zeitschrift und deren Einbindung in den internationalen wissenschaftlichen Diskurs nahm JIŘÍ PEŠEK (Prag) mit dem 1896 gegründeten „Český časopis historický“ in den Blick. Obwohl in den 1990er-Jahren vermehrt Beiträge aus westlichen Ländern eingeworben worden seien, würden die Zeitschrift und Themen zur Geschichte der böhmischen Länder in Westeuropa weiterhin nur oberflächlich rezipiert. Andererseits seien Versuche, einzelne Ausgaben komplett auf Deutsch oder Englisch zu veröffentlichen, von der tschechischen Stammleserschaft negativ beurteilt worden, und Forschungsprojekte mit einem internationalen, umfassenden Ansatz würden in Tschechien von den verantwortlichen Institutionen zumeist abgelehnt. Man sollte daher, so Pešeks Fazit, nicht zu große Erwartungen an eine „Internationalisierung“ richten, da eine solche Entwicklung zumeist nur darauf hinauslaufe, dass die „großen“, also bereits gut erforschten und besser ausgestatteten Historiografien z. B. in Deutschland oder Frankreich noch stärker in den Mittelpunkt rückten.
BÁLINT VARGA (Budapest) stellte mit der 2012 gegründeten „Hungarian Historical Review“ (HHR) eine noch junge Zeitschrift vor. Sie publiziert ausschließlich englischsprachige Beiträge zur ungarischen und sonstigen südost- und ostmitteleuropäischen Geschichte. Die HHR erscheint in Form von Themenheften, was einen allgemeinen Trend im Publikationsverhalten in Zeitschriften widerspiegelt: Aufsätze werden, vor dem Hintergrund immer knapper werdender zeitlicher Ressourcen, weniger häufig als früher als Einzelstudien eingereicht, sondern entstehen im Zusammenhang mit Tagungen oder Forschungsgruppen, die eine gemeinsame Veröffentlichung nahelegen. Einem anderen Trend im wissenschaftlichen Publikationswesen scheint sich Ungarn hingegen derzeit noch zu widersetzen: Anders als in den meisten Staaten Osteuropas gibt es kein offizielles Punktesystem, anhand dessen Veröffentlichungen in bestimmten Zeitschriften gefordert bzw. belohnt werden. Daher ist die HHR bislang auch nicht in den einschlägigen Zeitschriftenrankings vertreten.
Aus Deutschland wurde die Internationalisierungsstrategie der Zeitschrift „Südosteuropa” vorgestellt, die am Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg erscheint. Hermann Beyer-Thoma verlas hierzu den Vortrag von SABINE RUTAR (beide Regensburg). Die 1952 gegründete Zeitschrift hat sich von einem wissenschaftlichen Informationsdienst mit politikberatendem Auftrag zu einer multidisziplinären Fachzeitschrift entwickelt, die zudem im Jahre 2014 komplett auf Englisch als Publikationssprache umgestellt worden ist. In diesem Zuge wurde auch das Editorial Board erheblich erweitert und ein noch stärkeres Gewicht auf Themenhefte gelegt. Die Struktur der Leserschaft habe sich daher in den zurückliegenden Jahrzehnten grundlegend geändert, und die für 2016 geplante Anbindung an WoS und Scopus sei ein weiterer Schritt hin zu einer besseren internationalen Sichtbarkeit.
Der zweite Tag des Workshops widmete sich stärker praktischen Fragen. SUSANNE HENKEL (Stuttgart) gab aus Sicht des Franz Steiner Verlags einen Überblick über die Internationalisierung in der Fachmedienbranche. Dass „Internationalisierung“ zugleich „Digitalisierung“ bedeute, zeige sich schon allein daran, dass der Verlag mit nur einer Druckerei, aber mehr als 30 Onlinediensten kooperiere. Für jede einzelne Fachzeitschrift würde je nach den Ansprüchen der Leserschaft, dem Verbreitungsgrad oder der Tradition der wissenschaftlichen Disziplin eine individuelle Onlinestrategie umgesetzt. Zugleich aber scheine auch die Printpublikation noch nicht völlig an Bedeutung verloren zu haben: So würde nur jede/r zweite JGO-Abonnent/in den im Print-Abo kostenfrei enthaltenen Onlinezugang nutzen.
Im Anschluss daran stellten Vertreter/inne/n weiterer Zeitschriften in Kurzbeiträgen wesentliche Merkmale ihrer redaktionellen Arbeit vor. Zu Wort kamen dabei das „Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte“, „Bohemia“, „Comparativ“, „Nordost-Archiv“, „Jahrbücher für Geschichte Osteuropas“ sowie die Rezensionsplattform „recensio.net“. Neben der stetig wachsenden Bedeutung englischsprachiger Beiträge kam insbesondere das Rezensionswesen zur Sprache. Buchbesprechungen, dies bestätigten auch die Teilnehmer/inne/n aus der Verlagsbranche, sind demnach trotz online jederzeit leicht zugänglicher bibliografischer Informationen und Social Web-Kommentaren nach wie vor fester Bestandteil des geschichtswissenschaftlichen Diskurses, in der westeuropäischen und angloamerikanischen Welt allerdings weiter verbreitet und stärker ausdifferenziert als zum Beispiel in Osteuropa.
Der Beitrag von GUNNAR SIVERTSEN (Oslo) über die Internationalisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften hätte sich auch hervorragend als Einstieg in den Workshop geeignet, konnte aber aus terminlichen Gründen erst ganz am Schluss präsentiert werden. Sivertsen unterstrich den Nutzen bibliometrischer Systeme für die Erfassung und Interpretation wissenschaftlicher Forschung. Zugleich wies er aber darauf hin, dass die derzeit gängigsten Datenbanken wie WoS für den Bereich der geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung nicht sehr zuverlässig sowie auch lückenhaft seien. Diese Forschung wende sich sehr viel stärker als die Naturwissenschaften auch direkt an die Gesellschaft, was sich in den einschlägigen Datenbanken nicht abbilden und darüber hinaus eine einheitliche Verwendung des Englischen in den entsprechenden Publikationen als nicht sinnvoll erscheinen lasse. Als Alternative zu den kommerziellen Datenbanken empfahl Sivertsen das derzeit als Weiterentwicklung des European Reference Index of the Humanities bei den Norwegian Social Science Data Services entstehende ERIH Plus.
Die Workshop-Reihe soll 2018 fortgesetzt werden, da die anwesenden Redaktionen und Verlage die Kombination aus Fallstudien und der Debatte über aktuelle, gerade auch technische Entwicklungen als hilfreich für die eigene Arbeit betrachten. Dass dabei manche Fragestellungen stets aufs Neue in den Blick genommen werden, lässt sich auch als Hinweis darauf werten, dass das Medium „wissenschaftliche Fachzeitschrift“ auch nach mehreren Jahrhunderten nicht an Relevanz eingebüßt hat.
Konferenzübersicht:
Maciej Górny (Warschau): To Represent or to Guide? What to Do with Acta Poloniae Historica
Irina Savel’eva (Moskau): Warum und auf welche Weise hat sich die russische Geschichtswissenschaft seit der Jahrtausendwende internationalisiert?
Jiří Pešek (Prag): Die Tschechische Historische Zeitschrift (Český časopis historický) zwischen landesgeschichtlicher Tradition und Internationalisierung
Bálint Varga (Budapest): Geschichtswissenschaftliche Zeitschriften und Fragen der Internationalisierung in Ungarn
Sabine Rutar (Regensburg): Die Internationalisierung der Zeitschrift „Südosteuropa. Journal of Politics of Society“
Susanne Henkel (Stuttgart): Die Internationalisierung der Fachmedienbranche aus Sicht der Verlage
Kurzbeiträge aus der praktischen Arbeit einzelner Redaktionen
Gunnar Sivertsen (Oslo): Patterns of Internationalization and Criteria for Research Assessment in the Humanities and Social Sciences
Anmerkungen:
[1] Johanna Schnabel, Publikationskulturen im Wandel in den Osteuropa- und Geschichtswissenschaften: Rankings, Internationalisierung und Bibliometrie als Herausforderung?, in: H-Soz-Kult, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-4582> (30.05.2016).
[2] Vgl. die Beiträge des Workshops in: Bibliometrie – Praxis und Forschung 4 (2015), <http://www.bibliometrie-pf.de/> (30.05.2016)."
Савельева Ирина Максимовна